Show und Sport neben dem Ort der tausend Tode

Erst am Ende zeigen die deutschen Fechterinnen Olympiaform

RUST. Vorne klingen die Degen, im Hintergrund kreischen die Menschen: Keine Angst, hier wird keiner aufgespießt – willkommen zum Degenfechten der Frauen im Europapark Rust. Im letzten Test vor Olympia trifft das deutsche Team im Länderkampf gegen die Schweiz und gewinnt nach anfänglichen Mühen mit 45:36 Punkten.

Die Sonne kommt heraus, die heftigen Schauer sind vorbei – endlich können Silverstar und Co. ihre Pforten öffnen. Nur Hubert Bleyer kann sich darüber gar nicht freuen. Der Pressewart des Ausrichters SV Waldkirch hätte sich lieber weiteren Regen gewünscht, damit einige Parkbesucher mehr einen Abstecher zum Fechten machen. Doch das Wetter ist nicht bestechlich. Deshalb versammelt sich auch nur eine kleine Schar an Interessierten im so genannten Dome des Parks, der eher einem riesigen Zirkuszelt ähnelt und neben der Achterbahn Silverstar steht, auf der immer wieder lautstark tausend Tode gestorben werden.

Zweifelsfrei, dieses Ereignis hätte mehr als 100 Zuschauer verdient. Immerhin absolvieren die deutschen Degenfechterinnen ihren letzten Test vor den Wettkämpfen in Athen. Und auch der Gegner kann sich sehen lassen: Die Schweiz, nur knapp in der Qualifikation gescheitert, gastiert als Olympiazweiter von Sydney.

Sport und Show – das passt mittlerweile auch im Fechten zusammen. Auch Claudia Bokel ist davon begeistert: „Endlich kommt etwas mehr Pep in die Veranstaltung.“ Sie muss es wissen, immerhin ist die 30-jährige seit 1993 dabei und feiert mit ihrer Fechtkollegin Imke Duplitzer gemeinsam den 250. Länderkampf.

Dieser beginnt allerdings nicht besonders gut für die Deutschen. Zwar setzt sich Maja Markovic, die in Athen nur Reservistin sein wird, im ersten von neun Gefechten souverän gegen die schwächste Eidgenössin Diana Romagnoli durch, doch ausgerechnet die erfahrenen Bokel und Duplitzer werden in ihren ersten Gefechten einige Male von den jungen Schweizerinnen ausgekontert. Die Quittung dafür ist ein Ein-Punkte-Rückstand nach drei Gefechten. Besonders die erst 19-jährige Sophie Lamon ficht überaus stark, zeigt der neun Jahre älteren und offensiv kämpfenden Duplitzer immer wieder die Grenzen auf. Der vierte Kampf zwischen der Linkshänderin Tiffany Geroudet (18) und Markovic endet wieder mit der Führung für die Schweiz. Erst im fünften Gefecht geht Deutschland zum ersten Mal mit einem Punkt in Führung, doch die starke Lamon kann im sechsten Kampf gegen Bokel wieder ausgleichen. In den letzten drei Gefechten zeigen sich die Deutschen endlich in Olympiaform. Erst schlägt Duplitzer in einem packenden Duell Geroudet und sorgt für einen Zähler Vorsprung, ehe Markovic, die nach ihrer Verletzung einen starken Eindruck macht, die Führung auf drei Punkte ausbaut. Im letzten Duell deklassiert Bokel schließlich Romagnoli und entscheidet das Duell mit dem Endresultat von 45:36 für Deutschland.

Welchen Aufschluss bezüglich der Form gibt nun dieser Vergleich? Bundestrainer Manfred Kaspar ist zuversichtlich: „Ich werde einige Erkenntnisse aus diesem Kampf ziehen können. Die Schweiz war stark – wir haben uns absichtlich keinen Aufbaugegner rausgesucht.“ Bei Olympia zähle dann aber vor allem die Tagesform gegen die großen Nationen. Auch Claudia Bokel ist freudig gestimmt: „Wir haben zwar anfangs ein paar Probleme gehabt, aber es war ja auch nicht der allerwichtigste Kampf. Trotzdem haben wir ihn ernst genommen und am Ende auch gut gefochten.“

Für sie als Chemikerin ist zudem wichtig, dass die Spiele sauber über die Bühne gingen. Auch wenn das möglicherweise ein Wunschdenken bleibt, ist sie froh, dass die Doping-Kontrollen weiter verschärft werden. Als persönliche Genugtuung hat sie immer noch in Erinnerung, dass sie die gedopte Französin Laura Flessel vor Monaten besiegt hat. Sauber siegen wird deshalb auch weiterhin ihr Ansporn sein. Denn Doping und Sport verträgt sich nicht. Ganz im Gegenteil zu Sport und Show.

Von unserem Mitarbeiter Andreas Frey