Judith Stihl blickt auf ihre erfolgreichste Saison zurück – Nach zweimal DM-Gold und EM-Silber Sommerpause angesagt

Die Fechttasche liegt zuhause in der Ecke. Die Sommerpause und Erholung hat Judith Stihl nach einer intensiven, turbulenten aber äußerst erfolgreichen Saison verdient. Für den SV Waldkirch startend hat die Wildtälerin gleich zweimal DM-Gold und einmal EM-Silber geholt. Im Landesleistungszentrum Degen in Waldkirch erlebt sie gerade ihren zweiten Frühling.

Judith Stihl

Judith Stihl ist froh, die Sonne zu genießen, auszuspannen und sich zu erholen. In Wildtal hat sie hierzu ideale Voraussetzungen. Es liegen anstrengende Wochen und Monate hinter der Degenfechterin. Sie hat den Lauf ihres Lebens, nachdem sie wegen den Corona-Einschränkungen sehr lange pausieren musste, monatelang ging beim Fechten nichts mehr. Doch nach dem Wiedereinstieg ins Training war sie fast ununterbrochen, von Woche zu Woche unterwegs. Quer durch Deutschland reiste sie, suchte aber auch das internationale Kräftemessen. In Budapest stand die Degenfechterin sogar ganz oben auf dem Siegerpodest. Ihr Saisonziel, auf das sie hinarbeitete: die deutsche Veteranen-Meisterschaft und die Teilnahme an der Mannschafts-Europameisterschat. Und beides hat die 50-Jährige erreicht. In Barleben bei Magdeburg wurde sie im April Deutsche Veteranen-Meisterin der AK 50, es war ihr bereits viertes DM-Gold. Nur einen Monat später holte sie in diesem Jahr ihr zweites goldenes Edelmetall, als sie mit der Startgemeinschaft Waldkirch/Freiburg Deutsche Mannschafts-Meister wurde.

Von EM-Silber bei den Veteranen zu den Top 16 der Aktiven

Ihre bestechende Form führte sie in das deutsche Nationalteam zu den Mannschafts-Europameisterschaften der Veteranen in Hamburg. In der Hansestadt holte sie sich Silber und kehrte mit dem EM-Vizemeistertitel der Mannschaft zurück. Der nächste Höhepunkt ließ nicht lange auf sich warten. Trotz ihres Alters schaffte sie den für nicht möglich gehaltenen Sprung in die Finalrunde der Aktiven bei den Deutschen Meisterschaften. Es war ein tolles Erlebnis bei den ersten „Finals 2022“ der Fechter dabei gewesen zu sein und belegte in Berlin einen Klasse 12. Platz. Die mehrfache deutsche Meisterin der Veteranen war mächtig stolz und muss sich ab und zu zwicken, um die unglaublichen Ergebnisse der vergangenen Saison zu realisieren.

 

 

 

 

 

 

So blickt sie mit Genugtuung und einem verschmitzten Lächeln in ihrem grünen Garten in Wildtal gerne auf die jüngsten Monate zurück. Im 1.800 Einwohner zählenden Ortsteil der Gemeinde Gundelfingen hat sie ihr Zuhause gefunden. Seit 2010 lebt Judith Stihl hier zusammen mit ihrem Ehemann Peter, Lehrer am Beruflichen Schulzentrum in Waldkirch. Sie haben mit Max und Felix zwei Söhne, wobei der 17-jährige Felix auch ins Fechten eingestiegen ist und in den Landeskader IG Fechten Baden-Württemberg berufen wurde.

Von Hüfingen über Tauberbischofsheim nach Wildtal

Sie selbst ist aufgewachsen in Hüfingen auf der Baar am Rande des Südschwarzwaldes, im kleinen Ortsteil Behlau. Mit 10 Jahren ist sie über ihre Cousine zum Fechten gekommen, hat beim Fechtverein Hüfingen, den es heute nicht mehr gibt, mit dem Florett angefangen. Dort machte sie bereits ihre ersten Kontakte zu Waldkirch, erzählt sie voller Freude. Vom dort stationierten Landestrainer Aubert Sirjean hat sie in Hüfingen regelmäßig ihre Lektionen erhalten. Und im zarten Alter 13 Jahren durfte sie erstmals zum Lehrgang in den Stützpunkt Waldkirch. „Als kleines Mädle war es für mich das Schönste und Größte“ am Lehrgang beim Landestrainer teilnehmen zu können.

Mit 16 Jahren wagte sie den Schritt nach Tauberbischofsheim, damals der Olympiastützpunkt unter dem legendären Emil Beck. Es war die Hochphase des deutschen Fechtsports. Stihl guckte zu den Florett-Goldmädels hoch, die in Seoul bei den Olympischen Spielen 1988 mit der Mannschaft Gold holten und im Einzel alle drei Medaillen. Stihl selbst wechselte zum Degen und entwickelte sich im Juniorenbereich ganz gut, blickt sie zurück, qualifizierte sich sogar für die Junioren-WM. Doch im Aktivenbereich stagnierte sie, hinzu kamen Probleme mit dem Knie. So entschied sie sich, Mitte der neunziger Jahre wieder zurück nach Hüfingen zu gehen. In Schwenningen absolvierte sie die Ausbildung zur Physiotherapeutin. Sie lernte ihren Mann kennen und beide zogen Richtung Freiburg und landeten im kleinen, beschaulichen Wildtal.

Das Fechten holte sie wieder ein

Bald juckte es wieder. Das Knie hatte sich stabilisiert und so holte sie ihre Fechtklamotten und Degen wieder hervor. Doch wohin? Für sie stand außer Frage, nach Waldkirch. Sie kannte die Stadt schon von den Lehrgängen, Waldkirch ist als Fechtstützpunkt bekannt, so dass sie sich im Oktober 2011 der Fechtabteilung des SV Waldkirch anschloss. Stihl fühlte sich gleich wohl, das Umfeld stimmte, dazu ihre persönliche Motivation. So stellten sich recht schnell ihre ersten Erfolge ein. Seit her fährt sie mehrmals in der Woche in die Kandel- und Orgelstadt, um dort in der BSZ-Sporthalle zu trainieren.

2013 holte sich die in Gundelfingen praktizierende Physiotherapeutin ihren ersten deutschen Meistertitel der Senioren in der Altersklasse AK 40. Es folgten weiter drei Einzel-Goldmedaillen bei den nationalen Titelkämpfen, zuletzt im April. Kurz darauf konnte sie sich in Erfurt mit der Startgemeinschaft Waldkirch/Freiburg mit der Mannschaft eine weitere Goldmedaille umhängen lassen. Während dessen fieberte Stihl dem nächsten sportlichen Höhepunkt entgegen, der Mannschafts-Europameisterschaft der Veteranen in Hamburg. Dort gewann sie mit dem deutschen Degen-Nationalteam die Silbermedaille und darf sich nun Mannschafts-Vizeeuropameisterin nennen. So bald Corona es wieder zulässt, hofft sie, auch im Einzel bei den Europameisterschaften angreifen zu können. Einmal hatte sie sich für die EM in Italien qualifiziert, will bei der nächsten EM wieder dabei sein und möglichst vorne mitmischen. Letztes Jahr wäre sie sogar bei den Weltmeisterschaften der Veteranen in den USA dabei gewesen. Doch Corona machte ihr einen Strich durch die Rechnung.

Im „zweiten Frühling“ von der Erfolgswelle getragen

Warum steckt sie sich als 50-Jährige solch hohe Ziele? Sie fühle sich einfach nicht so alt. Es mache einfach Spaß und in Waldkirch hat sie starke Trainingspartner. Das Training mit den jungen Fechtern hält sie fit und mache sie stark. Nebenher kann sie ihr Wissen und Stärken auch dem SVW- Nachwuchs weitergeben. Getragen von dieser Erfolgswelle spricht sie selbst von einem „zweiten Frühling“ ihrer Fechtkarriere. Ihre Willenskraft, Ausdauer und natürlich ihre Erfahrung und Können puscht und treibt sie an. Nach dem letzten Saisonhöhepunkt mit dem 12. Platz bei den „Finals 2022“ in Berlin -nur die sechzehn besten deutschen Degenfechterinnen hatten sich dafür qualifiziert- verspürt Judith Stihl nach mehr. Sie überlegt sich, die nächste Saison vielleicht verstärkt bei den Aktiven anzugreifen.

In Wildtal und Waldkirch wird man nach den Sommerferien aufmerksam verfolgen, wo die Reise der deutschen Spitzenfechterin hingeht, wann Judith Stihl jubeln und vielleicht mit einer Medaille zurückkehrt. Ihren Spaß, Elan und Motivation aus der letzten Saison wird sie auf jeden Fall mitnehmen.